Die Meditation der Malerin: Sich der Farbe hingeben und reine Empfindung werden. |
Monochrome Quadrate -
oder: was soll das eigentlich?
von Kristina Botha
Schwarzes Quadrat, 30 x 30 cm, Öl auf Leinwand, KBOTHA |
Denn ist sind die Farben und
die Formen, die ein Mensch zuerst erblickt – erst danach wird ja einer Form in
einer bestimmten Farbe ein Begriff zugeordnet. In diesem Zusammenhang muss auch
ein anderer König der Quadrate genannt werden: Johannes Itten (1888 – 1967).
Itten wurde durch seine Lehrtätigkeit und Arbeit mit Studenten am Bauhaus zum
Begründer der Farbtypenlehre (Hauptwerk: >>Kunst der Farbe<<), die
sich an Goethes Farbenlehre und der seines Lehrers Adolf Hölzel anlehnt und
beide erweitert bzw. vervollständigt. Itten
interessierten die Farben nicht nur theoretisch, denn er war selbst Maler und
sowohl an ihrer Wirkung auf den Rezipienten als auch an ihrem Zusammenwirken
mit der Form interessiert. Er ordnete den Farben Formen zu; das Quadrat ist
beispielsweise rot, ein Kreis blau, ein Dreieck gelb. Das hat auch alles seinen
Sinn, aber die Erklärung erscheint mir an dieser Stelle zu lang und zu öde.
Jedenfalls wird seine Farbtheorie noch heute an einigen Kunsthochschulen
gelehrt.
Rotes Quadrat, 30 x 30 cm, Öl auf Leinwand, KBOTHA |
So war das Quadrat nicht mehr
schwarz, sondern rot.
Mein Kunstprofessor meinte
nach seinen Vorlesungen darüber, man solle den >>ganzen Quatsch<<
gefälligst gleich wieder vergessen, denn, das seien Gesetzmäßigkeiten, die in
der Kunst gebrochen werden müssten, sonst sei das alles nur
>>Mist<< und tauge nichts.
Kunst muss schon etwas können
oder bewirken; nach Goethe, im Gegensatz zu Newton (aber der kam ja auch aus
einer ganz anderen Abteilung und verdarb sich die Augen bei seinen Versuchen
zum Thema), soll das Ziel der
Rezeption die Bewusstseinserweiterung sein, und das wird auch erreicht, denn
Farbe erweitert naturgemäß die Wahrnehmung – das rote Quadrat
bewirkt beim Betrachter etwas anderes als ein schwarzes. In diesem
Kontext bekommt monochrome Malerei eine emotionale Bedeutung. Und das sieht der
Banause nicht.
Darum sagte mein Professor gerne: >>Die abstrakte und
monochrome Malerei hat gerade erst begonnen, weil die Menschen sie noch immer
nicht verstehen.<<
In der abstrakten Malerei, in der die übliche Perspektive
aufgehoben wird, es aber eine Paraperspektive gibt, die Tiefe und Spannung
erzeugt, ist jede Form und jede Farbe gleich wichtig, einzig der Raumaspekt
zählt, die sogenannte 4. Dimension (Bewusstseinserweiterung!). Da jedes Teil,
jede Farbe gleich wichtig ist, ist der Betrachter oft irritiert und versucht
einen Sinn zu sehen, versucht, wie beim Expressionismus oder Impressionismus
etwas Gegenständliches zu erkennen. Doch das ist Unsinn und funktioniert nicht,
wenn man Abstraktionen verstehen will; es geht einzig um Komposition und
Emotionen. Von der Farbe kommt man automatisch zur Form. Die Malerei des 20.
Jahrhunderts machte neue Inhalte, aber auch Farbzusammenhänge möglich. Und das
geht immer weiter. Während man um 1960 noch lehrte: >>Grün und Blau trägt
die Sau<<, kümmern solche Sprüche heute überhaupt nicht; im Gegenteil: Es
geht ja darum, immer wieder die Regeln zu brechen und Neues zu schaffen, wobei
ich nicht weiß, ob eine Revolution in der Kunst noch möglich ist, aber
wer weiß?
Kästchenmalerei, Öl auf Leinwand, KBOTHA 2014 |
Nach 1900, nach Macke und Marc zum Beispiel, verselbstständigte
sich die Farbe, sie wurde ungegenständlich und zum eigenen Thema, soll heißen:
Bildinhalt. Abgesehen von der Komposition natürlich. So musste sich der
Betrachter nun mit dem Wert der Farbe auseinandersetzen, da sie ganz im
Vordergrund steht – ist sie doch auch DAS Medium der Malerei! Dazu bedarf es
von Seiten des Künstlers sowie auch des Betrachters einer großen Reife, was das
Sehen angeht, viel Einfühlungsvermögen und Hingabe. Denn man muss sich der
Farbe HINGEBEN, die Farbe >>leben<<, so lange in das Farbgeschehen
eintauchen, bis die Form auftaucht, was sehr schnell gehen kann, aber nicht
muss. Und Form ist nicht gleich Gegenstand! Das kann man nicht deutlich genug
betonen. Wie im Leben kann nichts erzwungen werden, sonst würde das Ergebnis
nicht stimmen, es würde schlicht peinlich. So peinlich wie ein schlechtes
Gedicht oder ein hingepfuschtes Bild von jemandem, der von Malerei keine Ahnung
hat. Es muss immer auf Stimmigkeit geprüft werden. Eine Farbform, die nicht
stimmt, wirkt banal und aufgesetzt. Es war Cézanne, der sagte: >>Man muss
die Farbe leben, die Farbe WERDEN.<< Sich also hinein fühlen. Fühlen, was
sie mit einem macht, siehe Itten. Die Komposition besteht dann stets aus einer
Außen- und Innenform und durch Kontraste, von denen es eine wahre Fülle gibt;
durch die Vielfältigkeit der Kontraste und die Mehrfarbigkeit wird noch mehr
Spannung erzeugt. Während man bei der monochromen Malerei über eine Farbe
meditiert, sich nur auf diese eine Farbe, von der es meist unzählige Varianten
gibt, konzentriert, das >>perfekte<< Rot oder Grün oder was auch immer erstrebt,
wird bei der Mehrfarbenmalerei das Augenmerk auf die Kontraste der Farben
gelegt. Die Kontraste sind nach Goethe und Itten Hell-Dunkel-Kontraste,
Warm-Kalt-Kontraste, Farbansichtskontraste (jede Farbe zu jeder Farbe), reine
Farbe zu getrübter Farbe, Quantitäts-Kontraste (Viel-Wenig-Kontraste),
Komplementär-Kontraste, Simultan-Kontraste und Sukzessiv-Kontraste (Stichwort
Nachbild und Gegenfarbe).
Man
bedenke auch, Kunst muss nicht schön, nicht dekorativ sein. Kunst soll das Bewusstsein erweitern und
zum Nachdenken anregen. Wie
immer im Leben geht es auch hier darum, sein Hirn einzuschalten und sich ein eigenes
Urteil zu bilden. Ob man etwas mag oder schön findet, ist jedoch nicht das
Kriterium zur Beurteilung guter oder wahrer Kunst; was gute Kunst ist,
erschließt sich oftmals nur dem >>eingeweihten<< und geschulten
Betrachter.