von KRISTINA BOTHA
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Ohne Titel, 30 x 40 cm, KBOTHA 2011 |
Um sich nicht ständig zu wiederholen und wahrhaftig kreativ zu sein, muss Kunst sich weiter entwickeln. Statt also immerzu die Wirklichkeit abzubilden, was im Zeitalter der Fotografie und des Films eh langweilig wurde, löste sich die bildende Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts von der gegenständlichen Darstellung und befasste sich mit dem Kern der Malerei: der Farbe.
Denn es sind die Farben und dann die Formen, die ein Mensch zuerst erblickt – erst danach wird einer Form in einer bestimmten Farbe ein Begriff zugeordnet. Johannes Itten (1888 – 1967) wurde durch seine Lehrtätigkeit und Arbeit mit Studenten am Bauhaus zum Begründer der Farbtypenlehre (Hauptwerk: >>Kunst der Farbe<<), die sich an Goethes Farbenlehre und der seines (Ittens) Lehrers Adolf Hölzel anlehnt und beide erweitert bzw. vervollständigt.
Der olle Goethe hat nicht nur eine Menge Zeugs geschrieben, sondern auch ein großes Interesse an Farben gehabt und war in der Lage, diese unabhängig von der Form oder dem Inhalt in der freien Natur zu genießen, wie er es in einem Reisebericht beschreibt: >>Auf einer Harzreise im Winter (1777) stieg ich gegen Abend vom Brocken herunter, die weiten Flächen auf- und abwärts waren beschneit, die Heide von Schnee bedeckt, alle zerstreut stehenden Bäume und vorragenden Klippen, auch alle Baum- und Felsenmassen völlig bereift, die Sonne senkte sich eben gegen die Oderteiche hinunter. Waren den Tag über, bei dem gelblichen Ton des Schnees, schon leise violette Schatten bemerklich gewesen, so musste man sie nun für Hochblau ansprechen, als ein gesteigertes Gelb von den beleuchteten Teilen widerschien. Als aber die Sonne sich endlich ihrem Niedergang näherte und ihr durch die stärkeren Dünste höchst gemäßigter Strahl die ganze, mich umgebende Welt mit der schönsten Purpurfarbe überzog, da verwandelte sich die Schattenfarbe in ein Grün, das nach seiner Klarheit einem Meergrün, nach seiner Schönheit einem Smaragdgrün verglichen werden konnte. Die Erscheinung ward immer lebhafter, man glaubte sich in einer Feenwelt zu befinden, denn alles hatte sich in die zwei lebhaften und so schön übereinstimmenden Farben gekleidet, bis endlich mit dem Sonnenuntergang die Prachterscheinung sich in eine graue Dämmerung und nach und nach in eine mond- und sternhelle Nacht verlor.<<
Goethes Hauptwerk zur Farbenlehre ist der >>Entwurf einer Farbenlehre<< von 1810, in welchem er sich recht polemisch gegen Newtons Farbenlehre wendet. Itten dagegen interessierten die Farben nicht nur theoretisch, denn er war selbst Maler, und er erforschte sowohl die Wirkung der Farbe auf den Rezipienten als auch ihr Zusammenwirken mit der Form. Er ordnete den Farben Formen zu; das Quadrat sei beispielsweise rot, ein Kreis blau, ein Dreieck gelb. Das hat und macht auch alles seinen Sinn, aber die Erklärung erscheint mir an dieser Stelle zu lang und zu öde. Jedenfalls wird seine Farbtheorie noch heute an einigen Kunsthochschulen gelehrt.
Mein Kunstprofessor meinte nach seinen Vorlesungen darüber, man solle den >>ganzen Quatsch<< gefälligst gleich wieder vergessen, denn, das seien Gesetzmäßigkeiten, die in der Kunst gebrochen werden müssten, sonst sei das alles nur >>Scheißdreck<< und tauge nichts.
Kunst muss schon etwas können oder bewirken; nach Goethe - im Gegensatz zu Newton, aber der kam ja auch aus einer ganz anderen Abteilung und verdarb sich die Augen bei seinen Versuchen zum Thema - soll das Ziel der Rezeption die Bewusstseinserweiterung sein, und das wird auch erreicht, den Farbe erweitert naturgemäß die Wahrnehmung – ein rotes Quadrat bewirkt beim Betrachter etwas anderes als ein schwarzes. Manche Leute macht eine rote Farbfläche tatsächlich aggressiv. Ich persönlich werde wütend, wenn ich auf ein grünes Gemälde schaue. Wo Grün doch so beruhigen soll… Aber da kommt es dann wieder auf die FORM an – ein Blatt im Wind wirkt einfach anders. In diesem Kontext bekommt monochrome Malerei eine emotionale Bedeutung! Und das sieht der Banause nicht.
Darum sagte mein Professor gerne: >>Die abstrakte und monochrome Malerei hat gerade erst begonnen, weil die Menschen sie noch immer nicht verstehen.<<
In der Abstraktion, in der die übliche Perspektive aufgehoben wird, es aber eine Paraperspektive gibt, die Tiefe und Spannung erzeugt, ist jede Form und jede Farbe gleich wichtig, einzig der Raumaspekt zählt, die sogenannte 4. Dimension (Bewusstseinserweiterung!). Da jedes Teil, jede Farbe gleich wichtig ist, ist der Betrachter oft irritiert und versucht einen Sinn zu sehen, versucht, wie etwa beim Expressionismus oder Impressionismus, etwas Gegenständliches zu erkennen. Doch das ist Unsinn und funktioniert nicht, wenn man abstrakte Malerei verstehen will; es geht einzig um Komposition und Emotionen.
Von der Farbe kommt man automatisch zur Form. Die Malerei des 20. Jahrhunderts machte neue Inhalte, aber auch Farbzusammenhänge möglich. Und das geht immer weiter. Während man um 1960 noch lehrte: >>Grün und Blau trägt die Sau<<, kümmern solche Sprüche heute überhaupt nicht; im Gegenteil: Es geht ja darum, immer wieder die Regeln zu brechen und Neues zu schaffen, wobei ich nicht weiß, ob eine richtige Revolution in der Kunst noch möglich ist, aber who knows?
Nach 1900, nach Macke und Marc zum Beispiel, verselbstständigte sich die Farbe, sie wurde ungegenständlich und zum eigenen Thema, soll heißen: Bildinhalt. Abgesehen von der Komposition natürlich. So musste sich der Betrachter nun mit dem Wert der Farbe auseinandersetzen, da sie ganz im Vordergrund steht – ist sie doch auch DAS Medium der Malerei! Dazu bedarf es von Seiten des Künstlers sowie auch des Betrachters einer großen Reife, was das Sehen angeht, viel Einfühlungsvermögen und Hingabe. Denn man muss sich der Farbe HINGEBEN, die Farbe >>leben<<, so lange in das Farbgeschehen eintauchen, bis die Form auftaucht, was sehr schnell gehen kann, aber nicht muss. Und Form ist nicht gleich Gegenstand! Das kann man nicht deutlich genug betonen. Wie im Leben kann nichts erzwungen werden, sonst würde das Ergebnis nicht stimmen, es würde schlicht peinlich. So peinlich wie ein schlechtes Gedicht oder ein hingepfuschtes Bild von jemandem, der von Malerei keine Ahnung hat. Es muss immer auf Stimmigkeit geprüft werden. Eine Farbform, die nicht stimmt, wirkt banal und aufgesetzt. Es war Cézanne, der sagte: >>Man muss die Farbe leben, die Farbe WERDEN.<< Sich also hinein fühlen. Fühlen, was sie mit einem macht, siehe Itten. Die Komposition besteht dann stets aus einer Außen- und Innenform und durch Kontraste, von denen es eine wahre Fülle gibt; durch die Vielfältigkeit der Kontraste und die Mehrfarbigkeit wird noch mehr Spannung erzeugt. Während man bei der monochromen Malerei über eine Farbe meditiert, sich nur auf diese eine Farbe, von der es meist unzählige Varianten gibt, konzentriert, das „perfekte“ Rot oder Grün oder was auch immer erstrebt, wird bei der Mehrfarbenmalerei das Augenmerk auf die Kontraste der Farben gelegt. Die Kontraste sind nach Goethe und Itten Hell-Dunkel-Kontraste, Warm-Kalt-Kontraste, Farbansichtskontraste (jede Farbe zu jeder Farbe), reine Farbe zu getrübter Farbe, Quantitäts-Kontraste (Viel-Wenig-Kontraste), Komplementär-Kontraste, Simultan-Kontraste und Sukzessiv-Kontraste (Stichwort Nachbild und Gegenfarbe).
Kunst soll das Bewusstsein erweitern und zum Nachdenken anregen. Ob man das mag oder nicht, entscheidet man selbst. Wie immer im Leben geht es auch hier darum, sein Hirn einzuschalten und ein eigenes Urteil zu bilden. Ob man was mag oder etwas schön findet, ist jedoch nicht das Kriterium zur Beurteilung guter oder wahrer Kunst; was gute Kunst ist, erschließt sich oftmals nur dem >>eingeweihten<< und geschulten Betrachter. Auch in anderen Bereichen maßt man sich ja nicht an, sich sofort ein Urteil zu bilden, obwohl man sich nie mit der Materie befasst hat!!! Sehen ist nicht gleich Sehen!
(c) KBotha 2010
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Magenta, 100 x 140 cm, KBOTHA 2010 |