Sonntag, 16. November 2014

Alle meine Musen - oder: Was ist das eigentlich?

Claudias Cosmos, Mischtechnik auf Leinwand, KBOTHA
Wenn ich an die Muse eines Malers denke, sehe ich sofort ein Szenario vor meinem geistigen Auge, in dem ein halb nackter, leicht angetrunkener Mann mit Bart mit abschätzend zusammen gekniffenen Augen auf ein ganz nacktes Frauenzimmer blickt, das lässig auf einem Sofa posiert, um so gleich Pinsel schwingend etwas auf die Leinwand zu klecksen, bevor er sich seiner Leidenschaft ergibt und laut seufzend zu seiner Muse in die Kissen sinkt. Weiter möchte ich die Phantasie des geneigten Lesers nicht strapazieren...
Aber was genau ist eine Muse eigentlich? Ein Nacktmodell? Eine Geliebte? Vielleicht auch, manchmal, aber bei weitem nicht nur! In der griechischen Mythologie sind die Musen die Schutzgöttinnen der Künste. Die neun olympischen Musen heißen Klio (zuständig für Geschichtsschreibung), Melpomene (die Singende, zuständig für die Tragödie, trägt eine ernste Theatermaske), Terpsichore (die fröhlich Tanzende, zuständig für Chordichtung und Tanz), Thalia (die Festliche, zuständig für die Komödie, trägt eine lachende Theatermaske), Euterpe (die Erfreuende, Muse der Lyrik und des Flötenspiels), Erato (die Liebevolle, Muse der romantischen Dichtung), Urania (die Himmliche, Muse der Astronomie, die damals als Kunst galt und nicht als Wissenschaft), Polyhymnia (Muse des Gesangs), Kalliope (hat eine schöne Stimme, zuständig für Rhetorik, Philosophie und epische Dichtung). Zu diesen neun kommen noch drei bis vier titanische, drei bis vier apollonische und sieben bis neun pireische Musen, aber ich finde, das führt jetzt zu weit und auf keinen Fall weiter.
Janna will Petrol und Lila, Mischtechnik auf Papier, KBOTHA 2014
Eine Muse ist aber auch eine Person männlichen oder weiblichen Geschlechts, die den Künstler bzw. die Künstlerin zu kreativen Leistungen anspornt, sie also inspiriert. 
Wer zur Muse wird, entscheidet nicht die Muse, selbst wenn sie den Künstler noch so oft küsst, sondern der Künstler selbst, der auf einmal für die ein oder andere Person, die er
ins Herz geschlossen hat, schöpferisch tätig wird.
Lena will graue Wolken, KBOTHA 2012

Seit der Antike gibt es die Vorstellung, dass Kunstschaffende von Musen inspiriert werden, dass sich also die Inspiration oder kreative Idee nicht von selbst im Denken oder Fühlen entwickelt, sondern einen Anstoß von außen benötigt. Jeder Künstler kann bestätigen, dass die Inspiration von außen kommen kann (durch Gespräche, Beziehungen, Wanderungen durch Landschaften, Lesen von Büchern usw. usf.), aber nicht muss. Es gibt auch jede Menge "selbst entzündete" plötzliche Geistesblitze oder unbewusste Eingaben, die beispielsweise in Träumen erlebbar werden.
Mikes Monster-Universum, 60 x 80 cm, KBOTHA 2009 
In der Neuzeit wurde es Sitte, auch real existierende Personen (nicht nur die grüne Fee) als Musen zu bezeichnen, sie inspirieren durch ihre Persönlichkeit, ihr Charisma, ihre Vorlieben, ihre Liebe oder Leidenschaft. Jedenfalls sind sie in der Lage, den Künstler auf irgendeine Weise zu berühren. Manchmal ist eine Muse auch einfach jemand, den der Maler liebt, so dass er FÜR denjenigen malt. Das kann wohltuend sein für jemanden, der im Allgemeinen in heiliger All-Einigkeit (wenn es ideal läuft) arbeitet, so ist er immerhin in Gedanken bei anderen und drückt schließlich durch sein Werk seine Zuneigung aus.
Kurzum: Der Maler muss aufgrund seiner Passion sowieso "produzieren"; wenn ihn aber eine bestimmte liebenswerte Person zu einem Werk inspiriert, so nennt man diese Muse. Meine Musen heißen zum Beispiel Mike, Janna, Alexandra, Claudia, Lena. Das ist keine vollständige Liste, keiner muss sich ausgeschlossen fühlen. Jeder kann zur Muse werden, wenn er es nicht schon ist. 

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