Montag, 17. Oktober 2011

Über die Inspiration

von KRISTINA BOTHA

Die Kunst ist eine unwillige Geliebte, manchmal ist sie geradezu ein Kreuz, das man sein Leben lang mit sich herum schleppt. Kein Künstler kann arbeiten, wann ER will, sondern wenn es der Kunst einfällt, vorbeizuschauen, die Inspiration im Schlepptau.

Da ist dieses Kapitel, das man eigentlich schreiben muss, aber nicht will, diese Skulptur, die in die Breite wächst anstatt in die Höhe, dieses Bild, das misslingt, weil man nicht „in the mood for“ war. Man raucht und starrt und trinkt und zetert – und könnte es doch gleich lassen, weil die Ergebnisse entsprechend niederschmetternd sind. Nach einem uninspiriertem Versuch, künstlerisch zu arbeiten, bleibt man meist mit einem verhunzten Werk und einem angeknacksten Selbstbewusstsein genervt zurück.

Die Inspiration kann nicht gerufen werden; man muss auf sie warten. Wenn man Glück hat, stellt sich der Hunger beim Essen ein und die Muse küsst ein während der Arbeit, die man unmotiviert aus Pflichtgefühl begonnen hat. Darauf ist aber kein Verlass!
Manchmal überrascht einen die Inspiration nach ein paar Gläsern Wein, doch dann ist sie unberechenbar in ihrer Wirkung, mal genial, mal geradezu desaströs. Es gibt nicht wenige Maler, die Bilder, die bereits vollendet waren, ruiniert haben, nachdem sie betrunken ins Atelier kamen und dachten, dass man noch etwas verbessern müsse.

Ein Zauberwort ist Zeit. Ein anderes Freiheit. Zeit, die man haben muss, damit sich etwas entwickeln kann, damit Ideen reifen können, in einem Raum, innerlich wie äußerlich frei, ungebunden von alltäglichen Verpflichtungen. Man halte sich selbst bei exzellenter Laune in kraftspendender Abgeschiedenheit und bündle seine Energien, um sie auf das Wesentliche, die Kunst, zu richten.

Doch der Gang unter die Menschen bleibt einem nicht erspart und ist sogar erwünscht, besteht doch das Leben aus Lösen und Binden. Neue Situationen, Werke anderer Künstler, Besuche von Galerien und Museen, neue Freunde, die damit verbundenen neu erblühten Gefühle, nahe Reiseziele und ferne Länder und die dort anzutreffenden Landschaften sowie die geistige Beweglichkeit, sich auf das Neue einzustellen und es zu begrüßen, bilden den lebenspendenden Boden für jede Kreativität.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen